Mit freundlicher Genehmigung des Ostholsteiner Anzeiger

Nummer 2                                                                              JANUAR                                                                             Jahrgang 1984

Der letzte Eutiner Hofgoldschmied

von Hans-Georg Schönfeld


Bisher unbekannte Silbergeräte Eutiner Hofgoldschmiede kommen nur selten noch zum Vorschein. Wohl erhielt ich nach Fertigstellung des Buches über die Eutiner Goldschmiede, in dem Geräte aus Kirchen- und Adelsbesitz (verschwindend wenig aus bürgerlichen Familien) aufgeführt sind, Mitteilungen über Eutiner Silber aus weit von hier entfernten Orten. Leider war nicht ein einziges Silbergerät darunter, das von einem unserer fünf Hofgoldschmiede angefertigt wurde. Deshalb war es eine freudige Überraschung, als mich ein kenntnisreicher Sammler anrief (und auch gleich ein Foto nachsandte), dass er ein Leuchterpaar auf einer süddeutschen Auktion erworben habe, das von dem letzten Eutiner Hofgoldschmied Hans Heinrich Geertz hergestellt wurde.

Am Leuchterfuß waren drei Zeichen eingepunzt: das Eutiner Stadtzeichen, die Initialen HHG und "12 Löt". Wie bedeutend die Meisterzeichenforschung ist zeigt das Beispiel dieser Leuchter, die auf der Auktion als Revaler Leuchter gekennzeichnet waren. Die baltische Stadt Reval hat ein ähnliches Stadtzeichen wie Eutin. Das hat dazu geführt, dass im bedeutendsten deutschen Fachbuch 2) das Zeichen ,,HG" als ,, unbekannter Meister aus Reval" geführt wurde.

 Da Fachbücher kaum einen größeren Leserkreis ansprechen, soll hier berichtet werden, was von Heinrich Geertz bekannt ist. Seine Herkunft ist unbekannt, ebenso sein Geburtsdatum. Das letztere kann aber errechnet werden. In der Eintragung im Sterberegister vom 1.12.1804 heißt es, dass Geertz im 76sten Lebensjahr gestorben ist Er wird also 1728 geboren sein. Im Jahre 1757 taucht die erste Nachricht über Geertz in Eutin auf. Er war oder wurde - Geselle beim Tode des vorletzten Eutiner Hofgoldschmiedes Philipp Johann Janssen. Dieser wohnte 1755 an der Marktecke in Eutin, dort, wo heute die Sonnen-Apotheke steht. Der Witwe Janssen gelang es, das Privileg des Hofgoldschmiedes auch nach dem frühen Tod ihres Mannes zu behalten. Bedingung war, dass sie in ihrem Betrieb einen ,,kunsterfahrenen fleißigen und geschickten Gesellen" beschäftige. Im Jahre 1757 oder 1758 heiratete der sicher diesen Anforderungen entsprechende Geertz die Witwe Janssen mit vier unmündigen Kindern. Eine solche Heirat war eine willkommene Gelegenheit - und häufig auch die einzige! - als selbständiger Meister wirken zu können; denn damals gab es noch keine Gewerbefreiheit. Der Witwe Janssen schien kein langes Leben vergönnt zu sein, denn nach l5jähriger Ehe ging Geertz eine zweite Ehe ein, in der bis 1787 sechs Kinder geboren wurden. Wir wissen weiter von ihm, dass er nicht nur Mitglied, sondern 1768 sogar Vorsteher der Eutiner Schützengilde 2) war. Im fürstbischöflichen Hofregister des Jahres 1785 wird mit Geertz die Bestallung eines Hofgoldschmiedes zum letzten Male erwähnt. Diese wichtige Ernennung hatte sicherlich auch ganz handfeste materielle Vorteile, keinesfalls war damit aber eine Monopolstellung in der Stadt Eutin verbunden. In den Regierungsakten des 18. Jahrhunderts befinden sich mehrere Eingaben von Goldschmieden, die sich in Eutin selbständig machen wollten, jedoch auf den Widerstand des jeweiligen Hofgoldschmiedes stießen. Die Fürstbischöfliche Verwaltung entschied sich meistens zugunsten der Neubewerber,  die aber samt und sonders nur eine kümmerliche Existenz führen konnten und sich mit berufsfremden Arbeiten ihren Lebensunterhalt erkämpfen mussten. Diesen Monopolstreitigkeiten ist in meinem Buch  ein eigenes Kapitel gewidmet, da es ein bezeichnendes Schlaglicht auf die damaligen Verhältnisse wirft.

Die abgebildeten Leuchter verraten ihre Entstehungszeit dem Kenner auch ohne Meisterzeichen und ohne Datum: zwischen 1760 und 1770. Die Grundform dieser Leuchter - natürlich mit individuellen Abweichungen und auch den Übergang ins Rokoko widerspiegelnd - finden wir im 18. Jahrhundert immer wieder. Geertz Leuchter sind 21,7 cm hoch und wiegen 1037 g, damit sind sie ungewöhnlich schwer. Die bereits erwähnte Punze ,,12 Löt" bezeichnet die Silberlegierung. Sie entspricht nach heutiger Rechnung einem Silbergehalt von 750/1000stel. Es ist die bei uns in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts übliche Legierung. Die Qualität der Leuchter ist ganz hervorragend und alles andere als provinziell. Sie bestätigen nachdrücklich mein früheres Urteil: ,,Alle bekannten Arbeiten von Geertz sind von hervorragender Qualität." Darüber hinaus war Geertz auch der produktivste Goldschmiedemeister Eutins, jedenfalls zu urteilen nach dem, was von seinen Werken noch vorhanden ist.

Die auf dem Foto deutlich erkennbare Gravur CA mit Fürstenkrone ist ein Eigentümer-Kennzeichen. Die Nachforschungen nach dem Träger dieser Initialen haben zu einem Ergebnis geführt, das zwar viel für sich hat aber keine volle Gewissheit bietet. Im Jahre 1730 heiratete der letzte Plöner Fürst Friedrich Carl die ,,Hochgeborne Comtesse Christina Armgardis, des Hochgebornen Grafen und Herrn,

Herrn Christian Detlevs, Grafen zu Reventlau und Christiansstede" einzige Tochter. 4) Die Initialen dieser Fürstin können die gesuchten sein. Fürst Friedrich Carl starb schuldenbelastet und verarmt im Jahre 1761, seine Frau Christina Armgardis überlebte ihn. Ob ihr damals ein Gönner die Leuchter schenkte oder ob sie um diese Zeit schon verkauft werden mussten, lässt sich nicht mehr klären.

Zu allem Überfluss gibt es noch einen weiteren Unsicherheitsfaktor. Friedrich Carl hatte eine fürstliche Cousine mit Namen Charlotte Amalia. Da sie die gleichen Initialen trug, wie die regierende Fürstin, konnte sie also auch Eigentümerin der Leuchter gewesen sein.

Sicher ist aber, dass Geertz von den Aufträgen des fürstbischöflichen Hofes in Eutin allein kaum leben konnte. Er wird sich daher um Aufträge aus der Umgebung bemüht haben, wo er in der Anfertigung von Kirchensilber erfolgreich war. Die' etwa 2000 Einwohner der Stadt Eutin werden damals kaum mehr als Kleinsilber (z.B. Löffel, Schützen- und Sargschilder u.ä.) in Auftrag gegeben haben.

Sollten interessierte Leser Hinweise über altes - oder vermeintlich altes Eutiner Silber geben können, wäre der Autor dieses Beitrages dafür sehr dankbar. Bisher Unbekanntes könnte für unsere Kenntnisse über die Eutiner Goldschmiede-Geschichte wertvoll sein. 

( Da Herr Schönfeld nicht mehr lebt, bitte an Manfred Ehmke me@eutiner-goldschmiede.de )

Quellennachweis
1)  Hans - Georg Schönfeld, Die Eutiner Goldschmiede, Wachholtz - Neumünster 1975
2)  Marc Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen, Frankfurter Verlagsanstalt 1922
3)  Ernst Schütt, Geschichte der Eutiner Schützengilde
4)  Kurzgefasste zuverlässige Nachricht von den Holstein-Plönischen Landen von Paul Hanssen  28.8.1759.
Fotos:    Archiv des Autors
2 Leuchter, Eutin um 1765, Höhe 21,7 cm, Gewicht 10,7 Feingehaltsangabegabe 12  LOT